6.8.2017

Sieger Hauptwettbewerbe

Österreich räumt ab

Das 11. Fünf Seen Filmfestival (27.7. bis 5.8.2017) war ein sehr guter Erfolg. Etwa 80 Filmschaffende stellten ihre neuesten Werke persönlich vor. Die Gewinner der Hauptwettbewerbe Fünf Seen Filmpreis, Perspektive Junges Kino, Fünf Seen Dokumentarfilmpreis, Horizonte-Filmpreis sowie des Publikumpreises wurden bei der Abschlussfeier am Samstag Abend gekürt. Festivalleiter Matthias Helwig zeigt sich „sehr zufrieden“ mit der diesjährigen Festivalausgabe. 2018 wird es im September stattfinden.

Seit elf Jahren verschreibt sich das Fünf Seen Filmfestival der Idee, herausragende Filmkunst mit dem Schwerpunkt auf die DACHS-Länder (Deutschland, Österreich, Schweiz, Südtirol) zu zeigen und ist damit deutschlandweit die Plattform für Film aus dem Alpenraum: Allein aus Österreich und der Schweiz kamen mehr als zwanzig Filmschaffende, um ihre neuesten Werke vorzustellen.

Festivalleiter Matthias Helwig resümiert: „Ich bin sehr glücklich über den regen, hoch interessanten Austausch von Filmemachern und Publikum. Hitze und Sonnenschein waren zwar eine starke Konkurrenz zum Kinobesuch, aber wir hatten auch dieses Jahr wieder ein hochkarätiges Programm, das sich bei jedem Wetter behaupten kann. Ich bin mit der 11. Ausgabe des Fünf Seen Filmfestivals sehr zufrieden.“

Pro Tag gesehen verzeichnet das Festival einen Besucherzuwachs von sechs Prozent. Heuer dauerte das FSFF zwei Tage kürzer als im Vorjahr und hatte über 17.000 Besucher. Etwa 80 Filmemacher präsentierten ihre Filme persönlich in knapp 400 Vorstellungen, unter ihnen die Ehrengäste, der Oscarpreisträger und Starregisseur István Szabó und die Ausnahmeschauspielerin Eva Mattes.

Im kommenden Jahr wird es eine wichtige Änderung geben: Erstmals wird das FSFF nicht von Ende Juli bis Anfang August stattfinden, sondern in den September verlegt werden. Festivalleiter Matthias Helwig möchte mit dieser Entscheidung Filmschaffende und die Filmbranche besser erreichen. „Mit unserem bisherigen Festivalzeitraum liegen wir in einem Risikobereich und stehen in Konkurrenz zum Hochsommerwetter und dem Beginn der Sommerferien. Mit dem neuen Zeitraum können wir Treffpunkt für Branche und Publikum werden, um die kommende kulturelle Saison des Herbstes einzuläuten. Gleichzeitig bleiben wir unserem Markenzeichen treu, außergewöhnliche Filme in schönster Sommerlandschaft zu erleben,“ so Helwig. 2018 findet das Fünf Seen Filmfestival voraussichtlich von Freitag, 7. bis Samstag, 15. September statt. Für den bayerischen Markt liegt es damit ideal gelegen zwischen Filmfest München (Ende Juni) und den Hofer Filmtagen (Ende Oktober).

Jurymitglieder und Filmschaffende lobten gleichermaßen die außergewöhnlich hohe Qualität des Festivalprogramms. Am Samstagabend, dem 5. August 2017 prämierten die hochkarätig besetzten Jurys in der Schlossberghalle Starnberg die wichtigsten Filmpreise des Festivals. Österreich räumte dabei ordentlich ab: Alle Gewinnerfilme – außer der des Publikumspreises – sind österreichische Produktionen oder Koproduktionen.

DIE EINSIEDLER von Ronny Trocker geht als Sieger im Hauptwettbewerb um den Fünf Seen Filmpreis hervor. Mit dem Filmpreis „Perspektive Junges Kino“ wird DAS UNMÖGLICHE BILD von Sandra Wollner ausgezeichnet. Der Dokumentarfilmpreis geht an UNTITLED von Monica Willi und Michael Glawogger (†), der beste Film aus der Horizonte-Menschenrechte-Sektion ist DAS SYSTEM MILCH von Andreas Pichler. Der Publikumspreis geht an DER NOBELPREISTRÄGER von Mariano Cohn und Gastón Duprat.

FÜNF SEEN FILMPREIS


Der Fünf Seen Filmpreis geht an DIE EINSIEDLER von Ronny Trocker, der eine Videobotschaft zur Abschlussfeier sandte. Die Begründung der Jurymitglieder Helene Christanell, Carlos Gerstenhauer, Michaela May, Mirjam Unger und Joachim von Vietinghoff lautet:

„Die schroffe Schicksalswelt der Berge: Oben, auf einem alten, heruntergekommenen Hof, die Eltern isoliert und sprachlos, unten im Marmorbruch schuftet der einzig verbliebene Sohn, der sich nach Nähe sehnt. Der Autor und Filmemacher Ronny Trocker erzählt in DIE EINSIEDLER radikal und eindringlich von Abschied, Veränderung und Liebe. Vor monumentaler Kulisse führt er sein grandioses Ensemble, allen voran Ingrid Burkhard als unsentimentale und harte Bergbäuerin, durch eine so schweigsame wie unwirtliche Welt. Die Einsiedler hat die Jury überzeugt, weil er Raum schafft für Bilder, die über das Gezeigte hinaus gehen. In einer Zeit, in der alles auserzählt, erklärt und gedeutet wird, beeindruckt DIE EINSIEDLER durch seine archaische Kraft, rätselhafte Schweigsamkeit und cineastische Grandezza. Ein Film wie ein Fels.“

DIE EINSIEDLER erhält ein Preisgeld von 5.000 Euro, gestiftet vom Landkreis Starnberg und der Kreissparkasse München Starnberg Ebersberg. Der Film startet am 12. Oktober 2017 in den deutschen Kinos (Verleih: Barnsteiner).

PERSPEKTIVE JUNGES KINO

Der Preis für den besten Film aus der Sektion „Perspektive Junges Kino“ geht an DAS UNMÖGLICHE BILD von Sandra Wollner, die gemeinsam mit Kameramann Timm Kröger den Preis persönlich entgegennahm. Die Jurymitglieder Bernhard Blöchl, Dagmar Hirtz, Thomas Lassonczyk, Anca Miruna Lăzărescu und Christoph Schropp begründen ihre Wahl wie folgt:

„Was muss ein Film haben, um im Wettbewerb Perspektive Junges Kino zu gewinnen? Vorrangig sollte er, da waren wir uns in der Jury einig, ein Wagnis eingehen. Er sollte überraschen, eine Vision haben und neue filmische Wege gehen. DAS UNMÖGLICHE BILD von Sandra Wollner ist so ein filmisches Wagnis, eines, das seinem Home-Video-Stil konsequent vertraut. Das Ergebnis ist ein Kinofilm gewordenes 8mm-Experiment. Aber nicht nur das Formale und die ungewöhnliche Erzählstruktur begeistern. Die Regisseurin gibt in ihrem Spielfilm-Debüt authentische Einblicke in eine Wiener Familie in den Fünfzigerjahren.
Ausstattung, Kostüme und Kamera sind hervorragend. Die Schauspieler überzeugen in ihrer kernigen, in ihrer Zeit gefangenen Art. Positiv aufgefallen ist auch der mitunter trockene Humor der 13-jährigen Protagonistin, die uns mit ihrem subjektiven Blick durch die Kamera durch die Geschichte führt. Und uns langsam, aber sicher ein düsteres Familiengeheimnis sowie - in mehrfacher Hinsicht - die Endlichkeit vor Augen führt. "Mit der Erinnerung ist es komisch", sagt Johanna an einer Stelle. "Meistens weiß ich gar nicht, welche Bilder von mir kommen und welche von den anderen und welche überhaupt erfunden sind." Das Spiel mit den Bildern - DAS UNMÖGLICHE BILD macht es möglich. Von der Regisseurin wünschen wir uns weitere Wagnisse. Herzlichen Glückwunsch!“

DAS UNMÖGLICHE BILD gewinnt ein Preisgeld von 3.000 Euro, gestiftet von der Stadt Starnberg. Bisher ist kein deutscher Kinostarttermin bekannt.

FÜNF SEEN DOKUMENTARFILMPREIS

Der Fünf Seen Dokumentarfilmpreis geht an UNTITLED von Monica Willi und Michael Glawogger (†). Monica Willi nahm den Preis persönlich entgegen. Die Begründung der Jurymitglieder Manuela Bastian, Gudrun Gruber, Andreas Simon, Heiner Stadler, Julian Wildgruber und Ann-Christine Woehrl lautet:

„'Dieser Film soll ein Bild der Welt entstehen lassen, wie es nur gemacht werden kann, wenn man keinem Thema nachgeht, keine Wertung sucht und kein Ziel verfolgt.' (Glawogger)
Durch den außerordentlichen Mut, die Gefahr des Scheiterns auf sich zu nehmen – eine Herausforderung, die jeder Dokumentarfilm eingehen muss – gelingt es UNTITLED in kraftvollen, teils schon hypnotischen Bildern, den Zuschauer mit auf eine Grenzreise zu nehmen. Und 'wenn man sich von nichts treiben lässt außer der eigenen Neugier und Intuition', wie in UNTITLED, dann wird das Risiko selbst zum Thema des Films.
Ein Jahr Drehzeit war geplant, nach vier Monaten endeten die Dreharbeiten mit dem Tod Michael Glawoggers. Zwei Jahre später präsentiert Monica Willi diesen Film mit seinen kraftvollen, eigenwilligen Bildern, mit einem ungewöhnlichen Sounddesign und mit Auszügen aus dem Reisetagebuch. Doch dem Film gelingt es, weit über die Trauer hinaus zu gehen. Er geht keinem spezifischen Thema nach, lässt sich von seiner Neugier lenken und führt uns in das Innenleben fremder Welten.“

UNTITLED erhält 3.000 Euro, gestiftet von der Kreissparkasse München Starnberg Ebersberg. Er startet am 26. Oktober 2017 in den deutschen Kinos (Verleih: Real Fiction).

HORIZONTE-FILMPREIS

Der Horizonte-Filmpreis geht an DAS SYSTEM MILCH von Andreas Pichler, der den Preis persönlich entgegennahm. Die Begründung der Jurymitglieder Juschi Bannaski, Hans-Georg Krause, Stefan Maier, Christoph Nicolaus und Willi Rodrian lautet:

„Festivalchef Matthias Helwig hat es der Horizonte Jury wirklich nicht leicht gemacht. Wir haben leidenschaftlich diskutiert. Über insgesamt acht großartige Filme, die alle dem Anspruch gerecht werden, ein relevantes Thema fundiert und filmisch wertvoll umzusetzen. Vor allem die Frage des Horizonts hat uns ausgiebig beschäftigt. Wo sehen wir ihn, wie geht es hinter ihm weiter, können wir ihn vielleicht beeinflussen? Deshalb hat sich die Horizonte-Jury für einen Film entschieden, der ein relevantes, uns alle betreffendes, berührendes Thema mit interessanten Protagonisten, mit umfassender Recherche und mit immer neuen spannenden Momenten zu einem preiswürdigen Film vereint.
Unter Abwägung all dieser Kriterien haben wir für den Film DAS SYSTEM MILCH gestimmt und und gratulieren dem Südtiroler Regisseur Andreas Pichler von Herzen. Er entlarvt die weltweit brutalen Produktionsmethoden einer industrialisierten Landwirtschaft. Er zeigt auf, wie rücksichtslose Konzerne Tiere und Lebensmittel zu Spekulationsobjekten degradieren und profitgierige Produzenten jede Wertschätzung für das Leben vermissen lassen. Er hat es geschafft, das Thema Milch, das uns täglich beim Einkauf, im Kühlschrank und am Frühstückstisch begegnet, so zu bearbeiten, dass man sofort eine Kuh streicheln möchte. Zugleich porträtiert Pichler einen Bauern aus seiner Heimat Südtirol, der Hoffnung macht. Und er zeigt dem Kinopublikum, wie es das System Milch durch bewusstes Einkaufen ein kleines bisschen besser machen kann.“

DAS SYSTEM MILCH erhält 2.000 Euro, gestiftet von der Gemeinde Herrsching. Der Film startet am 21. September 2017 in den deutschen Kinos (Verleih: Tiberius).

PUBLIKUMSPREIS

Der Publikumspreis des 11. Fünf Seen Filmfestivals geht an DER NOBELPREISTRÄGER von Mariano Cohn und Gastón Duprat. Der Film startet am 2. November 2017 in den deutschen Kinos. Der Verleih Cine Global erhält 2.000 Euro, gestiftet von der Süddeutschen Zeitung, für die bessere Bewerbung des Films. Der Geschäftsführer von Cine Global Daniel O'Dochartaigh nahm den Preis persönlich entgegen.

Das 12. Fünf Seen Filmfestival findet voraussichtlich vom 7. bis 15. September 2018 statt.

Pressemitteilung als PDF

Daniel O'Dochartaigh, Sandra Wollner, Andreas Pichler, Monica Willi. Ronny Trocker gewann mit DIE EINSIEDLER den Fünf Seen Filmpreis, konnte bei der Preisverleihung aber nicht persönlich anwesend sein. © FSFF / Jörg Reuther