Kulturforum Starnberg: Kriegerin

25.4., 20 Uhr Kino Breitwand Starnberg

Erneut lädt das Kulturforum Starnberg zu einer spannenden Veranstaltung ein:

Kriegerin
ausgezeichnet u.a. mit dem Bayrischen Filmpreis

Im Kampf gegen die Gesellschaft
Lässt man die Tatöwierungen und den Chelsea Cut außer Acht und ignoriert ihr rabiates Auftreten und die Sätze, die sie von sich gibt, wirkt Marisa (Alina Levshin) nicht gerade wie eine Kriegerin: Eher klein und zierlich und mit einem eigentlich fein geschnittenen Gesicht könnte die junge Frau, die in einem öden Kaff im Osten Deutschlands lebt, eigentlich ein ganz normales Mädchen sein. Könnte, denn sie ist es nicht. Zumindest nicht nach ihren eigenen Maßstäben und in ihrem festgelegten Weltbild. Denn Marisa ist eine \"Nazibraut\", wie ein T-Shirt, das sie gerne trägt, stolz und trotzig verkündet. Ihr Hass richtet sich gegen alles und alle, die nicht in ihr Weltbild passen: \"In einer Demokratie kann jeder mitbestimmen. Du, ich, Alkoholiker, Junkies, Neger, Leute, die zu blöd sind, ihren Hauptschulabschluss zu schaffen\", so heißt es gleich zu Beginn des Filmes. Und oftmals reicht es schon, wenn einer nur ein klein wenig ausländisch ausschaut oder zu lange Haare hat und damit verdächtig ist, eine \"linke Zecke\" zu sein.

Gemeinsam mit ihrem Freund Sandro (Gerdy Zint) und den anderen ebenfalls stramm rechts eingestellten Mitgliedern ihrer Clique pöbeln sie in Nahverkehrszügen Menschen an und schlagen diese grundlos zusammen, so dass Sandro aufgrund der Gewalttaten bald schon im Knast landet, was Marisas Wut noch weiter wachsen lässt. Die richtet sich auch gegen \"die Neue\" Svenja (Jella Haase), die wenig jünger ist als sie und die Anschluss sucht an die Gruppe. Nur scheinbar aus besseren Verhältnissen stammend, ist sie für Marisa ein Dorn im Auge. Als ausgerechnet an dem Badesee, an dem die Clique immer abhängt, die beiden aus Afghanistan stammenden Asylbewerber Rasul (Sayed Ahmad Wasil Mrowat) und Jamil (Najebullah Ahmadi) auftauchen, nehmen die Ereignisse ihren verhängnisvollen Lauf. Und zumindest bei einer der beiden jungen Frauen wird ein Prozess des Umdenkens stattfinden.

Nicht erst durch die Ereignisse rund um die Zwickauer Terrorzelle, deren Enthüllung in den letzten Wochen und Monaten Deutschland erschüttert haben, ist David Wnendts Debütfilm Kriegerin ein im höchsten Maße bemerkenswerter Film geworden. Das Problem des Rechtsradikalismus vor allem in Teilen Ostdeutschlands ist seit der Wiedervereinigung ein Dauerthema, das wir nur wieder allzu gerne verdrängen und beiseite schieben. Und zwar deshalb, weil es auch den Finger auf die Wunden legt, die die Wiedervereinigung geschlagen hat – auf die hohe Arbeitslosigkeit im Osten und auf die mangelnden Perspektiven gerade in den ländlichen Gebieten. Davon erzählt aber Kriegerin nur am Rande. In der Analyse dessen, wie es dazu kommt, dass junge Menschen und vor allem junge Frauen der Magie dieses zutiefst menschenverachtenden Weltbildes erliegen, hebt der Film vor allem auf das persönliche Umfeld, auf die Eltern und Großeltern ab, auf den Freundes- und Bekanntenkreis. Man mag dies als eine etwas verkürzte und vereinfachte Motivation empfinden, doch sie kommt nicht von ungefähr – schließlich stieß David Wnendt bei seinen ausgiebigen Recherchen und zahlreichen Interviews mit jungen rechtsradikalen Frauen immer wieder auf diesen Punkt und hat ihm deshalb auch solch ein Gewicht verliehen.

Überhaupt merkt man dem Film in jeder Sekunde an, wie gründlich David Wnendt recherchiert hat, wie tief er in die Gedankenwelt junger Neonazis eingetaucht ist. Und so ist dieser Film vor allem immer dann von einer beängstigenden Kraft, wenn Wnendt einfach nur zuschaut, wenn er mit viel emotionaler Wucht zeigt, was Angst, Verzweiflung und Hass aus Menschen macht. Zugleich aber – und das ist durchaus eine weitere Stärke dieses packenden Films - wirft er zumeist nur Schlaglichter auf verschiedene Aspekte und Motivationen und überlässt vieles der Interpretation des Zuschauers. Was der Film trotz der einen oder anderen Schwäche (besonders am Ende meint man förmlich, das Insistieren eines Fernsehredakteurs bei der Abnahme des Drehbuchs zu verspüren), trotz mancher psychologischen Volte, verdeutlicht ist, dass wir alle viel zu lange die Augen und den Mund verschlossen haben vor der rechten Gefahr, die unserer Gesellschaft droht. Es ist an der Zeit, das Schwiegen und das Wegschauen zu durchbrechen – und dieser Film könnte in erheblichem Maße dazu beitragen, dass wir uns endlich mit dem real existierenden Neo-Nazismus beschäftigen. Nicht nur deswegen ist Kriegerin einer der kraftvollsten und wichtigsten jungen deutschen Filme der letzten Zeit.

(Joachim Kurz)

Einladung zum Filmgespräch