Horizonte und Videokunst
Preisträger 2016
Verleihung des Horizonte-Filmpreis
Um den Horizonte-Filmpreis 2016 konkurrierten sieben Filme, die sich mit aktuellen gesellschaftlichen Begebenheiten und menschenrechtlichen Themen auseinandersetzen. Die diesjährige Jury bestand aus Journalist Manfred Frei, die Schauspielerin Katharina Schwarz, der Verleger Anton G. Leitner, Prof. Alexander Decker von der Technischen Hochschule für digitale Medien und der Komponist Mathis Nitschke.
Nach einer intensiven Diskussion ist die Jury zu dem Schluss gekommen, dass es zwei Filme sind, die den Horizonte Filmpreis verdienen:
Jurybegründung ALS DIE SONNE VOM HIMMEL FIEL (Regie: Aya Domenig)
Ein Film gegen das Vergessen:
Die Filmemacherin Aya Domenig begab sich zunächst aus persönlichen Motiven auf die Suche nach der Geschichte ihrer Großeltern, die den Abwurf der Atombombe von Hiroshima 1945 nicht nur erlebt und überlebt haben, sondern auch als Arztfamilie in die Behandlung der Opfer direkt involviert waren. Während der Recherchen ereignete sich im Jahr 2011 die atomare Katastrophe von Fukushima.
Die Filmemacherin Aya Domenig schafft es, uns in Gesprächen mit den letzten verbliebenen Zeitzeugen Einblicke in die Grausamkeit der Geschehnisse zu geben, die von offizieller Seite in beiden Fällen bis heute geleugnet werden. Scham und Ehrverlust führten zu einem Schweigen und Verdrängen, auch auf Seiten der Bevölkerung.
Der Dirigent und Komponist Leonard Bernstein sagte einmal: „Der Abwurf der Atombombe ist der schlimmste Zivilisationsbruch in der Geschichte der Menschheit.“ Mit ihrem Film „Als die Sonne vom Himmel fiel“ beweist Aya Domenig Mut, hält die Erinnerung wach und schärft das Bewusstsein.
Jurybegründung UN PAESE DI CALABRIA (Regie: Catherine Catella, Shu Aiello)
Ein Film für die Hoffnung:
Denken wir bei Flüchtlingen oft an Probleme, dreht dieser Film die Perspektive um, und zeigt, wie Flüchtlinge ein aussterbendes Dorf mit neuem Leben erfüllen. Am Strand des armen, von organisierter Kriminalität gebeutelten Dorfes Riace in Kalabrien strandeten bereits vor fast 20 Jahren 200 Kurden. Ein junger Mann aus dem Dorf brachte damals seinem verdutzten Vater 10 Schiffbrüchige mit nach Hause. Das Dorf hatte die gute Idee, die verrotteten, leerstehenden Häuser von den Flüchtlingen wieder instandzusetzen und von ihnen bewohnen zu lassen.
Die Regisseurinnen Shu Aiello und Catherine Catella zeigen nicht nur die wunderschöne mediterrane Landschaft sondern auch die menschliche Wärme, die unterschiedlichste Kulturen und Traditionen, sogar Glaubensrichtungen vereint. Das geht so weit, daß der katholische Dorfpfarrer sogar in der Weihnachtsmette die neuen Mitbewohner unterschiedlichster Glaubensrichtungen nach ihrem Glauben predigen läßt.
Die Regisseurinnen Shu Aiello und Catherine Catella lassen in ihrem Film „Un Paese Di Calabria“, Riace zu einem Vorbild für unbürokratisch, pragmatische Integration werden, in dem Flüchtlinge bis heute als gleichwertige Mitbürger empfangen und gesehen werden. Das macht Hoffnung.
Der Preis, der auf die beiden Gewinner verteilt wird, ist mit 2000 Euro dotiert. Stifter ist die Gemeinde Herrsching.
Verleihung des Video-Art-Preis
Im Wettbewerb um den Video-Art-Preis zeigte das Fünf Seen Filmfestival in Kooperation mit Video-Art-Film 19 Videokunstfilme aus 8 Nationen zum Thema das „Fremde im Eigenen“. Der Publikumspreis, dotiert mit 500 Euro, geht an „A Sense of Warmth“ (Regie: Sven Johne). Der Hauptpreis, einstimmig von der hochkarätigen Jury ausgewählt, erhält „Sabbath 2008“ (Regie: Nira Pereg aus Jerusalem), dotiert mit 1000 Euro. Beide Preise werden gestiftet von der Christoph und Stephan Kaske Stiftung.
Jurybegründung SABBATH 2008 (Regie: Nira Pereg)
Die Jury hat den Film Sabbath 2008 der israelischen Künstlerin Nira Pereg einhellig als preiswürdig ausgewählt.
Die Künstlerin zeigt ein allwöchentliches Ritual, das den Unterschied zwischen „wir hier“ und Euch, den Anderen, den Fremden dort, im Stadtbild sichtbar werden lässt.
An einer scheinbar beliebigen Jerusalemer Straßenkreuzung (in Wirklichkeit handelt es sich um den hochgradig konnotierten Tempelberg) fängt sie ein, wie Kinder und Erwachsene mit so geschäftiger wie selbstvergessener Inbrunst eine deutliche Grenze zwischen sich und andere Gläubige ziehen.
Nira Pereg zeigt die allfreitägliche Szene kommentarlos und in dokumentarischen Bildern, die sie im Schnitt verdichtet. Deutliche künstlerische Eingriffe vollzieht sie auf der Tonebene. Das Geräusch des Straßenverkehrs versteht sie als Allerweltszeichen von Kommunikation, macht es deutlich als ubiquitär: Unter der Glocke des modernen Großstadtsounds verbinden sich unterschiedlichen Lebensweisen.
Mit der Errichtung der Straßensperren wird der Lärm der Stadt nach und nach ausgeblendet, und sie akzentuiert mit dem herausgearbeiteten Kratzen der Eisengitter auf dem Asphalt die beginnende Isolation der Glaubensgemeinschaft innerhalb der pulsierenden Stadt. Als filmischer Kontrapunkt dient ihr die Erfahrung, dass die akustische Isolierung von der Welt für existenzieller gehalten wird als die optische. Nira Perag gelingt es so, religiöse Einkehr und gleichzeitige Ausgrenzung von der Welt in einer beinahe banalen Straßenszene zu dramatisieren.