Einen besonderen Schwerpunkt legt das Fünf Seen Filmfestival dieses Jahr auf den Iran. Der gewaltsame Tod der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini im September 2022, die dadurch ausgelösten Proteste und die folgenden Hinrichtungen haben die Welt bewegt und erschüttert. Mit sieben Filmen beleuchtet das Festival die gesellschaftlichen Verhältnisse in dem Unrechtsstaat und wirft zugleich ein Schlaglicht auf die weltweit angesehene Filmkultur des Landes: Die Werke iranischer RegisseurInnen werden auf den Festivals der Welt mit Preisen überhäuft. Sie erzählen, meist verklausuliert, von einer Gesellschaft, die unter dem autokratischen System leidet, vor ihm flieht oder sich anzupassen sucht.
Die ausgewählten Filme sind intensive und gerade in ihren Zwischentönen verstörende Geschichten über das Leben im Iran. Herausragend und subtil ist NUMB, der in einem Kindergarten spielt, in dem Jungen und Mädchen noch zusammen sein können. Doch schon hier spürt man die Indoktrination der Vorgesetzten und die Machtverhältnisse unter den Kindern. WORLD WAR III beginnt harmlos und steigert sich burlesk in einen Konflikt hinein, der anfangs kaum zu erahnen war. NO END begibt sich in die Welt der kleinen Märkte und Geschäfte sowie der Familien, in denen der eine im Land geblieben, der andere in den Westen emigriert ist. Hier entstehen endlose Spannungen, aus denen es kein Entrinnen zu geben scheint.
In WITHOUT HER wird Roya durch eine andere Frau ersetzt, quasi ausgetauscht, weil sie nicht in das normale Raster passt. Der Animationsfilm DIE SIRENE behandelt die furchtbare Geschichte des Iran-Irak-Krieges aus dem Jahre 1980 mit deutlichen Bezügen zur heutigen Situation. Steffi Niederzolls mehrfach ausgezeichneter Dokumentarfilm SIEBEN WINTER IN TEHERAN handelt von dem international vielbeachteten Fall der jungen Reyhaneh Jabbari, die einen Mann aus Notwehr erstach, zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde. LEERE NETZE handelt von den kriminellen Machenschaften illegaler Kaviar-Fischer. Der Protagonist verstrickt sich darin, weil der Brautpreis für seine Geliebte so hoch ist. Der Film ist Monate vor seinem geplanten Kinostart zu sehen.
Am 26. August lädt das Festival zu einer Diskussion zum Thema FILM UND POLITIK: DER IRAN IM FOKUS ein (13 Uhr, Kino Gauting). Teilnehmen werden die RegisseurInnen Narges Kalhor (Jury Perspektive Spielfilm), Arman T. Riahi (Jury Fünf Seen Filmpreis), Behrooz Karamizade (LEERE NETZE), Sina Ataeian Dena (dramaturgischer Berater von SIEBEN WINTER IN TEHERAN) und Raphael Ghobadloo (ALLES AUF GERMANIA). Der Eintritt ist frei.
GASTLAND TAIWAN
Außerdem setzt das Fünf Seen Filmfestival eine lange Tradition fort und zeigt in Kooperation mit der Taipeh-Vertretung in der Bundesrepublik Deutschland (Büro München) Spielfilme und Kurzfilme aus Taiwan, die nicht nur das Filmland, sondern auch das Denken, die Gesellschaft und die Natur dieser asiatischen Insel näherbringen. Dieses Jahr läuft MILLENNIUM MAMBO von Hou Hsiao-hsien, ein stilvolles und verführerisches Eintauchen in das neonfarbene Techno-Nachtleben von Taipeh und einer der poppigsten und erstaunlichsten Filme, die der große taiwanesische Filmemacher je gedreht hat. UNTOLD HERSTORY erzählt von einer Studentin, die in den Jahrzehnten des Weißen Terrors in Taiwan zur Umerziehung in ein Frauengefängnis gebracht wird. Als die Behörden Gefangene zu Blutunterschriften und antikommunistischen Tätowierungen zwingen wollen, verbündet sich die junge Frau mit anderen Insassinnen. GAGA von Laha Mebow, der ersten indigenen Regisseurin in Taiwan, erzählt die zeitgenössische Geschichte des Atayal-Volkes, ohne es zu demaskieren.
Der Generaldirektor der Taipeh-Vertretung in der Bundesrepublik Deutschland (Büro München), Dr. Ian-Tsing Dieu, lädt am 29. August wieder zu einem Empfang ins Kino Breitwand Gauting ein. Beginn ist um 18 Uhr, im Anschluss laufen UNTOLD HERSTORY und MILLENNIUM MAMBO.
Filmstill aus NUMB (c) FSFF
